Bhakti-Yoga

Der Weg, sich wieder an die Liebe Krishnas zu erinnern, sie anzunehmen und zu erwidern

Bhakti-Yoga ist Weg und Ziel zugleich. Es ist der Weg, Krishna, den Ursprung aller Dinge, durch die Darbringung von Dienst bedingungslos lieben zu lernen. Dieser Weg gipfelt in der Erkenntnis, dass der Wohlgeschmack dieses reinen liebevollen Dienstes von nichts übertroffen werden kann. Bhakti-Yoga, liebevoller Dienst für Krishna, erfüllt das Lebewesen mit dem tiefsten und köstlichsten Sinn des Lebens, der aus sich selbst heraus existiert und von nichts anderem abhängig ist. Wer diesen Zustand erreicht, so heißt es in der Bhagavad-gita, erkennt, dass er den erlesensten Schatz der gesamten Wirklichkeit gefunden hat. Gott sagt selbst, dass Bhakti-Yoga die Vollkommenheit aller Yoga-Vorgänge ist. Andere Yoga-Arten stellen Stufen auf einer Leiter dar, die aber alle letztlich in Bhakti-Yoga münden. Obwohl sie die Erlangung mystischer Kräfte und sogar Befreiung von materiellem Leid ermöglichen, steht das Yoga der Hingabe (Bhakti) weit über ihnen, denn es stellt direkt und unmittelbar eine Beziehung zum persönlichen Aspekt Gottes dar. Alle Ergebnisse aller anderen Yoga-Vorgänge sind in Bhakti-Yoga automatisch mit enthalten. Im Folgenden wollen wir nun tiefer in diesen Schatz eintauchen.

 

Bhakti-Yoga – Die Verbindung mit Krishna, der Quelle allen Seins

Yoga ist ein zentraler Begriff aus der vedischen Philosophie, der mittlerweile der ganzen Welt bekannt ist. Yoga bedeutet Verbindung. Selbst in der deutschen Sprache gibt es Wörter, die auf diese Wurzel zurückgehen, wie etwa der Begriff Joch, die Bezeichnung für eine Vorrichtung, die etwa Zugtiere mit einem Wagen verbindet. Manchmal sprechen Menschen auch  – mehr oder weniger scherzhaft – vom „Joch der Ehe“, und tatsächlich können Verbindungen sehr belastend sein, wenn sie nicht von gegenseitigem Respekt und Liebe getragen werden. Deshalb ist der Begriff „Bhakti“, der dem Wort Yoga vorangestellt wird, essentiell. Ohne Bhakti, d.h. ohne freiwillige liebende Hingabe, gibt es keine erfüllende Verbindung oder Beziehung. Sri Krishna erklärt deshalb in der Bhagvad-gita, dass Bhakti-yoga das vollkommene Yoga ist.

Krishna, die Höchste Person, ist absolut frei und ungebunden. Deshalb sind auch wir Lebewesen als Seine Teilchen von gleicher Eigenschaft. Auch wir sind frei, weil unser Ursprung frei ist. Der Unterschied besteht darin, dass Krishna, Gott, absolut  frei ist und Seine Freiheit von Ihm Selbst abhängt. Die Freiheit der Lebewesen ist jedoch nicht von diesen selbst, sondern von Krishna abhängig. Er ist es, der allen Lebewesen ihre Freiheit garantiert. Qualitativ besteht also kein Unterscheid im Wesen dieser Freiheit, aber quantitativ ist Krishna die Quelle unbegrenzter Freiheit, wogegen die unzähligen Lebewesen ihre Freiheit von Krishna, dem persönlichen Ursprung alles Existierenden, beziehen.

 

Der freie Wille der Lebewesen

Daraus können wir schließen, dass Krishna Seine Teilchen, die unzählige spirituellen Seelen, niemals zu etwas zwingt. Er gibt jedem die Freiheit, zu tun, was immer er oder sie tun möchte. Wenn sich nun das winzige Lebewesen gegen Gott und Seine Freiheit entscheidet, ist es selbst für die Folgen dieser Entscheidung verantwortlich. Sich gegen die von Gott gegebene Freiheit zu entscheiden, bedeutet, sich tatsächlich für die Unfreiheit zu entscheiden. Das verwirrte Lebewesen, das sich von der Freiheit Gottes lösen möchte, um unabhängig von Gott frei wie Gott zu werden, verliert dadurch seine göttliche Freiheit und wird in Wirklichkeit das Opfer einer Illusion, in die es sich mehr und mehr verstrickt. Obwohl das Lebewesen nun nach Strich und Faden von der äußeren, der materiellen Energie Gottes kontrolliert wird, wähnt es sich frei und selbstbestimmt, muss aber schließlich erkennen, dass seine Freiheit nur Einbildung ist.

Es heißt, Liebe sei ein Kind der Freiheit. Es ist sehr widersprüchlich, mit einer geladenen Pistole vor jemandem zu treten und ihm zu befehlen: „Liebe mich.“ Liebe kann niemals erzwungen oder erkauft werden. Sie entsteht ganz natürlich, wenn jemand die innere Schönheit und den inneren Reichtum einer Person zu erkennen vermag. Diese Schönheit, die ihre Vollkommenheit in bedingungsloser Liebe findet, wird im Gegenüber ebenfalls dieselbe Liebe hervorrufen. Deshalb kann diese Art der Liebe nicht erkauft, erpresst oder erzwungen werden. Die Liebe des Lebewesens zu Krishna ist die natürliche Antwort auf die Erkenntnis der bedingungslosen Liebe, die Krishna für alle von uns empfindet.

Srila Prabhupada, der Gründer der Bewegung für Krishna-Bewusstsein, hat einmal gesagt, dass das Wort Liebe nur auf Gott angewendet werden kann. Was hier in der materiellen Welt als Liebe bezeichnet  wird, die Liebe zwischen Mann und Frau, Eltern und Kinder, Freund und Freund und so fort, ist nicht rein. Hinter all diesen Beziehungen steht bewusst oder unbewusst der Gedanke: „Was schaut für mich dabei heraus?“ Weil der Gott der ursprünglich Liebende ist, ist jede Art reiner und bedingungsloser Liebe nur für Ihn reserviert. Aber heißt das nun, dass wir unseren Partner, unsere Kinder und Freunde, nicht lieben dürfen?

 

Wer Gott liebt, liebt alles

Diese Frage löst sich von selbst, wenn wir das Wesen Gottes genauer studieren. Da alles von Ihm als Seine Energie ausgeht, ist alles in Seine Liebe eingeschlossen. Wenn wir Gott im Sinne Gottes lieben, nämlich in reiner Hingabe, dann schließt diese Liebe alle anderen Lebewesen mit ein, selbst die kleine Ameise auf der Straße und die unscheinbare Blume am Wegesrand. Je mehr wir also Krishna lieben lernen, desto mehr können wir alle und alles lieben. Gott möchte, dass wir unsere Partner und Kinder lieben, aber er möchte, dass wir es auf Seine reine, aufrichtige und bedingungslose Art und Weise tun.

Alle Formen der Liebe dieser materiellen Welt sind Widerspiegelungen der bedingungslosen Liebe, die die ganze spirituelle Welt durchströmt. Aber selbst hier, in der Widerspiegelung, drückt sich Liebe letztlich in Taten aus. Wir mögen jemandem versichern „Ich liebe Dich“, aber wenn dieser Aussage keine Taten folgen, bleibt sie nur ein leeres Lippenbekenntnis. Je mehr wir jemanden lieben, desto mehr wollen wir für diese Person tun, um sie glücklich zu machen. Aktiver Dienst ist deshalb das zentrale Wesensmerkmal von Liebe. Bhakti-yoga bedeutet also liebevollen hingebungsvollen Dienst, der ohne Erwartung eines Lohnes ausgeführt wird. Der süße Geschmack des Dienstes selbst ist der köstlichste Lohn für den Gottgeweihten.

So wie es in dieser Welt fünf Hauptbeziehungen unter den Lebewesen gibt, so finden wir dieselben Beziehungsformen in ihrer ursprünglichen Form in der spirituellen Welt zwischen Gott und den Lebewesen wieder. Im Folgenden werden diese Beziehungen kurz angeführt:

  1. Neutrale Beziehung (santa rasa): Wir können zu Gott eine neutrale Beziehung der Verehrung haben. Hier dient und erfreut das Lebewesen Krishna durch die Bewunderung Seiner Größe und Schönheit.
  2. Eine Beziehung als Diener zum Meister (dasya rasa): Hier dient das Lebewesen dem Herrn wie einem Meister und führt Seine Anweisungen aus, aber nicht, um dafür etwas erstattet zu bekommen, sondern aus reiner Liebe.
  3. Eine Beziehung als Freund (sakhya rasa): Hier dient das Lebewesen dem Herrn als gleichberechtigter Freund.
  4. Eine elterliche Beziehung (vatsalya rasa): In dieser Beziehung nimmt der Herr Seine Geweihten als Vater, Mutter, Lehrer und andere Höhergestellte an.
  5. Eine eheliche Beziehung (madhurya rasa): Hier geht das Lebewesen mit dem Herrn eine Mann-Frau-Liebesbeziehung ein.

Alle Beziehungen in dieser materiellen Welt sind verzerrte Spiegelungen dieser ursprünglichen Beziehungen zu Gott. Es ist die erhabenste Aufgabe eines jeden Menschen, seine vergessene Liebesbeziehung zu Krishna wiederzubeleben. Wer Krishna lieben lernt, liebt auf umfassende Art und Weise alles. Dieser Zustand beständiger Liebe ist für eine Quelle unendlicher Erfüllung und Freude, die selbst das größte Glück der materiellen Welt in Bedeutungslosigkeit versinken lässt.