Die Philosophie

Eine kurze Einführung in die Philosophie der Hare Krishna Bewegung.

Die Philosophie des Krishna-Bewusstseins besagt, dass die Höchste Persönlichkeit Gottes, Krishna, der Ursprung alles Existierenden ist. Die Energien Gottes lassen sich grundlegend dreifach unterteilen: die innere Energie, die marginale Energie und die äußere oder materielle Energie. Die innere Energie bildet die spirituelle Welt, die marginale Energie die unzähligen Lebewesen und die äußere Energie die materielle Manifestation. Die marginale Position der Lebewesen weist darauf hin, dass sie zwar von spiritueller Natur sind, aber die Entscheidungsfreiheit haben, sich entweder in der spirituellen oder in der materiellen Welt aufzuhalten. Wenn sich das Lebewesen für die materielle Welt entscheidet, befindet es sich in einem unnatürlichen Zustand, der ihm viel Leid verursacht. Während das Lebewesen ewig und voller Leben ist, ist die materielle Manifestation zeitweilig und unbewusst. Die lebendige spirituelle Seele kann in der Gemeinschaft toter Materie kein wirkliches Glück erfahren. Deshalb erscheint Krishna immer wieder entweder Selbst in der materiellen Welt oder schickt Seine Geweihten und Söhne, um die Lebewesen zur Rückkehr in ihre ewige Heimat zu bewegen, in der sie ein ewiges und glückseliges Leben in vollem Bewusstsein führen können.

Die Philosophie des Krishna-Bewusstseins ist simpel und überaus komplex zugleich, aber vor allem ist sie von unendlicher Tiefe. Sie ist die einzige Philosophie, die keine Mängel hat. Sie beruht auf vollkommener Logik, weil sie von Sri Krishna, dem höchsten und ersten Philosophen, der Menschheit übermittelt wurde. Da niemand unvoreingenommen über etwas nachdenken kann, an dem er hängt, kann sie nur von jenen in Vollkommenheit verstanden werden, deren Geist von Denkblockaden aufgrund materieller Anhaftung frei ist.

Krishna sagt in der Bhagavad-gita: „Ich bin der Ursprung der spirituellen und der materiellen Welt. Alles geht von Mir aus. Die Weisen, die dies wissen, dienen Mir in Hingabe und verehren Mich von ganzem Herzen.“ Nicht die unbelebte Materie bildet den Ursprung des Lebens, sondern vielmehr das Bewusstsein Gottes. Alles Leben kommt vom höchsten Leben. Gott, das Höchste Leben, wird in den Veden als die Ursache aller Ursachen bezeichnet. Natürlich könnte nun jemand fragen: „Und von wo kommt nun Gott?“ Die Antwort ist einfach: Wenn Gott die Ursache aller Ursachen ist, dann ist Er auch Seine eigene Ursache. Er existiert aus Sich selbst heraus, jenseits des materiellen Raums und der materiellen Zeit. Im Alten Testament beschreibt sich Gott als der „Ich bin“, was auf Seine ewige Existenz hinweist. Ewig bedeutet in diesem Zusammenhang nicht eine „unendlich lange“ Zeit, sondern es bedeutet zeitlos, also jenseits der materiellen Zeit. Gott ist also die zeitlose Gegenwart in Person.

Einem begrenzten Gehirn mag es unmöglich erscheinen, wie Gott ohne Ursache existieren kann, aber wenn Gott eine Ursache hätte, wäre diese Ursache Gott und das Spiel würde von neuem beginnen. Sobald irgendetwas existiert – und wir alle können die Existenz der materiellen Welt wahrnehmen – muss es letztlich einen aus sich selbst existierenden absoluten Ursprung haben. Absolut kommt vom lateinischen Verb absolvere und bedeutet „losgelöst“. Krishna ist losgelöst von allen Arten von Abhängigkeiten und Einschränkungen.

Nun könnte jemand fragen: „Wenn Gott aus Sich selbst heraus existieren kann, warum kann dann nicht einfach die Materie ebenso aus sich selbst existieren? Warum braucht es einen Gott? Worin besteht also der Unterschied zwischen Gott und der Materie?“

Das ist eine sehr gute Frage. Wenn wir Materie betrachten, können wie sehen, dass sie leblos ist. Es bedarf der lebendigen Kraft der Lebewesen, um sie in Bewegung zu setzen. Bäume wachsen, die Sonne scheint, Tiere bewegen sich und Menschen bauen Straßen und Häuser. All das wird von der höheren Energie Gottes, der spirituellen Energie in Form der individuellen Seelen, bewirkt. Alle lebenserhaltenden Vorgänge in der Sonne, in den Pflanzen- und Tierkörpern und ebenso in den Körpern der Menschen laufen nur ab, weil die spirituelle Seele in all diesen Lebensformen anwesend ist. Die Materie hat aus sich selbst heraus keine Kraft, Lebenssymptome zu entfalten. Ebenso können wir sehen, dass Häuser, Straßen und Autos nicht einfach von selbst entstehen, sondern dass lebendige Menschen auf der Grundlage eines bewussten Vorsatzes all das schaffen. Jede materielle Schöpfung setzt einen bewussten Schöpfer voraus.

Ebenso verhält es sich mit Gott und Seiner Schöpfung. Gott ist das ewig bewusste Wesen, das unendliche Energie besitzt. Er manifestiert die materielle Energie, um den abtrünnigen Lebewesen, die nichts mit Ihm und Seinem göttliche Reich zu tun haben wollen, einen Aufenthaltsort  zu bieten. Die materielle Welt existiert also nicht zufällig, sondern erfüllt einen ganz bestimmten Zweck.

Es ist das Wesen Gottes, dass Er ewiglich jenseits von Raum und Zeit existiert. Für ein in der materiellen Welt gefangenes Lebewesen ist das schwer nachzuvollziehen, denn alle für uns sichtbaren materiellen Manifestationen haben einen Anfang und ein Ende. Und selbst wenn wir unser Augenmerk auf die unmanifestierte materielle Gesamtenergie richten, aus der all die materiellen Manifestationen entstehen und wieder vergehen, ist es unerklärlich und unverständlich, warum diese Energie ohne die bestimmte Absicht eines bewussten Wesens einfach grundlos aus sich selbst heraus existieren sollte. Es widerspricht all unseren Erfahrungen. Gleichzeitig ist es aber das intrinsische Wesen der vollbewussten Persönlichkeit Gottes, dass Sie ewig aus sich selbst existiert.

Wie bereits erwähnt wurde, fühlt sich das ewige, spirituelle Lebewesen in einer illusorischen Welt der Zeitweiligkeit nicht wirklich wohl. Die Menschen versuchen, den Gedanken an den Tod zu verdrängen, aber es bleibt dennoch eine unwiderrufliche Tatsache, dass jeder Mensch zum ihm vorbestimmten Zeitpunkt dem Tod begegnen muss. Für die ewige Seele ist es unnatürlich, in einem zeitweiligen Körper zu verweilen, aus dem es jeden Augenblick hinausgeworfen werden kann. Dieser Umstand ist die Ursache vielerlei Ängste und Sorgen. Nicht nur sorgt sich der Mensch um seinen eigenen Körper, sondern auch um jene seiner geliebten Angehörigen und Freunde. Diese Situation wird mit einem Fisch verglichen, der aus seinem natürlichen Lebenselement, dem Wasser, herausgenommen wurde. Nun mag man dem Fisch das beste Fressen und komfortabelsten Lebensbedingungen anbieten, aber der unglückliche Fisch sehnt sich nach nichts anderem als nach seiner Rückkehr ins Wasser.

Ebenso versuchen die Menschen in dieser zeitweiligen Welt mit aller Kraft, sich ein Leben des Glücks und der Erfüllung aufzubauen, aber sie treffen bei dieser Bemühung auf so viele Schwierigkeiten und leidvolle Erfahrungen. Aber selbst, wenn sie es schaffen, Reichtum, Macht und komfortable Lebensumstände zu schaffen, werden sie ständig von der Angst gequält, diese Dinge wieder zu verlieren. Das wird der Kampf ums Dasein genannt, der in der materiellen Welt unvermeidbar ist.

Um den Lebewesen, vor allem denjenigen, die in einer menschlichen Form verkörpert sind, aus diesem leidvollen Zustand zu befreien, erscheint Krishna, die Höchste Persönlichkeit Gottes, immer wieder in der dieser materiellen Welt, um den Menschen Wissen über ihre wirkliche Identität als Seine ewigen, vollbewussten und glückseligen Teilchen zu überbringen. Manchmal erscheint er persönlich, oder er schickt Seine ermächtigen Geweihten, um diese Aufgabe auszuführen.

Krishna ist auch der ursprüngliche Verfasser der gesamten vedischen Literatur, die ebenfalls diesem Zweck der Erleuchtung der Lebewesen mit Wissen dient. Sie lässt sich grundsätzlich in zwei Bereiche teilen. Der Teil der vedischen Schriften, der karma kanda genannt wird, kann mit einer Gebrauchsanleitung für ein möglichst glückliches Leben in der materiellen Welt verglichen werden. Natürlich ist es nicht möglich, hier vollkommen glücklich zu werden, aber die Anweisungen der Veden helfen dem Menschen, den Aufenthalt so angenehm als möglich zu gestalten.

Der andere Teil der vedischen Literatur weist das Lebewesen auf die vergängliche Natur dieser Welt hin und zeigt ihm den Weg, auf dem es in seine ewige Heimat, in die spirituelle Welt, zurückzukehren kann. Darin besteht die Vollkommenheit des menschlichen Lebens.